Der Türkenhof
Das jetzt noch im Volksmund als "Türkenhof" bezeichnete Gebäude ist das älteste Wohnhaus der Gemeinde Oppurg. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Die Bezeichnung "Türkenhof" weist auf seinen Erbauer hin. Der Junker Hans von Brandenstein war nach Frankreich gegangen um sich im Kriegswesen auszubilden. 1525 wurde er als Page König Franz I. in der Schlacht von Pavia mit diesem gefangen genommen. Da trat er in Kaiserliche Kriegsdienste über und fiel bei der Belagerung von Buda in türkische Gefangenschaft. Nach drei Jahren harter Zwangsarbeit soll ihn der türkische Heerführer Ibrahim wegen seiner Kriegserfahrungen auf seinen Kriegszügen nach Syrien und Persien als Ratgeber mitgenommen haben. Man soll ihm auch eine hohe Staatsstellung angeboten haben, jedoch mit der Bedingung des Übertritts zum Islam. Die Sage erzählt, daß ihm eine vornehme Türkin Zuleika (oder Fatima) nach 16 Jahren zur Freiheit verhalf. Auf einem Schiff entkam er mit ihr und kehrte 1545 in die Heimat zurück.
Hier führte er dann mit dem Einverständnis seiner Gemahlin Helene von Stein und mit päpstlicher Bewilligung eine Doppelehe. Doch soll die Türkin bald gestorben sein. Seine Brüder hatten ihn 1540 bereits für tot erklärt und das Erbe unter sich geteilt. Als nun Hans von Brandenstein heimkehrte, wollten sie den so plötzlich aufgetauchten Bruder nicht anerkennen. Sie mussten aber dann doch eine neue Erbteilung vornehmen. Im Verlaufe dieser Teilung erhielt Hans von Brandenstein neben einer Reihe Grundstücke auch das Wohnhaus des Oppurger Bauern Paul Klingestein und 400 Gulden zu dessen Ausbau. Das jetzt noch stehende Gebäude kann allerdings nicht als das umgebaute Klingestein´sche Wohnhaus angesehen werden. Dieses Gebäude wird auch ein der damaligen Zeit entsprechendes Thüringer Bauernhaus gewesen sein. Der Umstand, dass der über der unteren Haustür befindliche Schlussstein die Jahreszahl 1519 trägt, lässt darauf schließen, dass Teile des ehemaligen Klingenstein´schen Hauses stehengeblieben sind oder wenigstens das Material dieses Hauses beim Bau des Türkenhofes Verwendung fand.
Hans von Brandenstein ließ über der unteren Haustür eine Gedenktafel anbringen, die dann über der oberen Tür angebracht wurde. Sie trägt die Inschrift:
ICH! HNS V BRAN HABE DIS
HAVS GEBAVET MIT GOTES H
UND BIN XVI IAR INDER TYRKEY GEW
VND ZV VNDER NEAPO III IAR IM TORGE
(Ich Hans von Brandenstein habe dieses Haus gebaut mit Gottes Hilfe und bin 16 Jahre in der Türkei gewesen und (habe) zu Unter-Neapolis 3 Jahre im Turm gesessen).
Die im Mittelalter entstandene Neustadt von Istambul hieß Neapolis und auch Galata, da sie von Galatern bzw. Griechen bewohnt wurde. Dort hat also Hans von Brandenstein drei Jahre im Gefängnis gesessen. Zum Andenken daran hat er an der Giebelwand des Erkers gegen Osten das Wort "Galata" mit großen Buchstaben anschreiben lassen. Diese Inschrift war bei dem im Jahre 1867 vorgenommenen Umbau des Erkers noch zum Teil zu erkennen. Im Jahre 1907 waren noch Feuerhaken im Türkenhof vorhanden, die offenbar aus jener Zeit stammten; denn ihre Eisenbeschläge waren mit dem Wort "Galata" gekennzeichnet.
Für spätere bauliche Erweiterungen spricht die Verschiedenheit der Bauart und des Baumaterials, bei dem älteren Gebäudeteil formlose Kalksteine in Lehmmörtel, bei dem Anbau lagerhafte Grauwacke mit Kalkmörtel.
Die abenteuerlichen Erlebnisse des Hans von Brandenstein haben zu einer Reihe von Sagen Anlaß gegeben. So wird erzählt, daß ein noch jetzt im Erdgeschoß des Türkenhofes befindlicher enger kellerartiger Raum genauso gebaut worden wäre wie der Kerker, in dem er in der Türkei gefangen gehalten worden sei. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, da die Türken ihre zahlreichen christlichen Gefangenen wohl zu harter Zwangsarbeit angehalten, aber jedenfalls nicht in Einzelhaft gehalten haben. Ferner wird erzählt, daß die Entfernung vom Türkenhof bis zu dem Steinkreuz oberhalb der Grünaumühle genau so weit wäre, wie sich Hans von Brandenstein von seinem Gefängnis habe entfernen dürfen. Auch das ist unrichtig, denn das der spätgotischen Zeit entstammende Bauwerk ist ohne Zweifel lange vor der Reformation errichtet worden.
Das ehemalige Wohnhaus des Hans von Brandenstein war späterhin viele Jahre Wohnung des jeweiligen Rittergutspächters. Nach der Durchführung der Bodenreform wurde das Gebäude gründlich renoviert und als Altersheim eingerichtet. 45 Jahre lang verlebten hier alte Leute einen sorgenfreien Lebensabend. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Altersheim aufgelöst. Es genügte den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr.
Seit 1995 wird der Türkenhof als Verwaltungssitz der Verwaltungsgemeinschaft Oppurg genutzt.